21.9.07 - Die gestrige Nacht war grässlich. Die Klimaanlage blies mir kalt ins Gesicht (das konnte ich durch umpositionieren des Futons immerhin ändern), aber ich fand trotz langen Probierens nicht heraus, wie man das dumme Ding abschaltet. Doof, dass die Fernbedienungen nur mit Kanjis angeschrieben sind. Und umso ärgerlicher, dass ich die Konkurrenzmarke begriffen habe, weil ich einmal eine englisch beschriftete Bedienung in der Hand hatte und mir merken konnte, was was bedeutet. Als ob das nicht genug wäre, lässt meine Erkältung langsam nach. Gut für meine Stimme, aber was das bei einem kaputten Rachen und verstopfter Nase/Ohren bedeutet, könnt ihr euch ja vorstellen. Heftiges Husten, um den Schleim loszuwerden. Ziemlich garstig, und ich konnte bis um drei Uhr früh kein Auge zumachen. Jetzt bin ich auf dem Weg nach Aso, einem riesigen Krater mitten in Kyushu, und hoffe, rechtzeitig da anzukommen, um noch ein paar Schritte zu wanden. Sonst müsste ich morgen früh aufstehen!
Und diese Mac-Wortkorrektur ist toll. Da sie sich bei jedem start auf Englisch umstellt (und wieder einschaltet), sind quasi alle Worte rot markiert in diesem Text (Ausnahmen: war, die, toll ...). Aber aus irgendeinem Grund ist "Kyushu" im Vokabular und darum nicht rot. Beeindruckend.
And now for something completely different. Chinesen. Chinesen haben hier in Japan einen ziemlich schlechten Ruf und sind sehr unbeliebt. Natürlich geht das auf langjährige Feindschaft und Vorurteile zurück. Aber nicht nur. Chinesen haben ungeschickterweise einen komplett anderen Verhaltenskodex als Japaner, was selbst mir massiv auffällt. Sie reisen in grossen Gruppen, verstopfen damit sämtliche Ein- und Ausgänge, weil sie nicht auf die Seite gehen (dafür würde sich jeder Japaner fünfzigmal entschuldigen), rufen dauernd laut in der Gegend rum, die Kinder rennen und kreischen dauernd, kurzum, nach japanischem Verständnis zeigen sie jegliches schlechte Benehmen, das in der Öffentlichkeit möglich ist. Ach, und ausserdem haben die Chinesen in Japan allesamt sehr viel Geld und zeigen das auch. Sie laufen mit vollgestopften Einkaufstüten in auffälligen Markenlamotten rum, haben alle möglichen Gadgets dabei (der 5 jährige neben mir besitzt einen DS Lite, welchen er auf voller Lautstärke im Zug laufen lässt). Kein Wunder haben die Chinesen hier einen so schlechten Ruf, sie arbeiten mit grossem Elan daran, ihn so zu halten. Ich selber setze mich meist in einen Wagen, in dem keine Chinesen sind, da das den Lärmpegel um gut die Hälfte reduziert...
21:50, Minshukan irgendwas. Ich wollte gerade "ich fühle mich gerade wunderbar" schreiben und das genüsslich ausführen, als mich ein Tropfen Wasser im Ohr irritierte, und ich aufstand, um mir ein Wattestäbchen zu holen, um das zu änderen. Ich öffnete mein Necessaire und schon war meine gute Laune verflogen. Eine Crème-Tube wurde irgendwie verbogen und ist hinten aufgebrochen und jetzt habe ich weisse, fettige Crème auf meiner Zannbürste, Rasierpinsel, und und und. Trotzdem. Ich fühle mich gerade blendend. Ich sitze auf etwa sechs zusammengefalteten Futons gegen die Wand gelehnt, es herrscht eine angenehme Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Zimmer, und ich komme gerade vom Baden. Ich habe es nämlich endlich geschafft, ein anständiges Onsen zu finden. Erst Waschen, dann draussen heiss Baden, gefolgt von etwas heisserem Wasser drinnen, dann in die finnische Sauna und zum Schluss ins kalte Becken. Beim Haare föhnen wurde mir dann etwas schummrig vom Temperaturschock, aber nur ganz kurz. Jetzt fühle ich mich wunderbar schlaff und entspannt nach einem harten Nachmittag, habe Wasserflasche (leider keinen Wein oder sowas) und Schokoladenkekse neben mir, Notebook vor mir und es fehlt mir eigentlich nur Internet.
Ich bin nämlich heute auf den hiesigen, riesigen Vulkan geklettert. Ein dramatischer Anblick, die Fotos können das wohl gar nicht wiedergeben (wenn ich endlich mal alle Uploade, aber ich will das am Stück machen und dazu brauche ich anständiges High-Speed-Internet. Ich hatte Glück, denn im Augenblick ist er sehr aktiv und man kann nur etwa alle zwei Tage hoch gehen, ohne im Schwefeldampf zu ersticken. Alles ist voller Warnhinweise, die in fragwürdigem Englisch darauf hinweisen, dass Leute mit Asthma, Herzkrankheiten oder ähnlichem nicht hoch gehen sollten. Zudem hats überall Schutzbunker gegen fliegendes Geröll.
Und noch ein Essay: Heute auf dem Heimweg vom Onsen dachte ich mir: "Ach, wie schön, ich fühle mich gut (ok, erkältet, aber das ignoriere ich jetzt einfach), habe toll gebadet, gehe jetzt nach Hause und esse ein paar Kekse und trinke was kaltes dazu und dann lese ich den aktuellen Pratchett - Wintersmith weiter. Ach wie toll!" Als nächstes habe ich mich gefragt, warum ich mich zuhause nie auf ein Buch freue und bin habe dann einen interessanten Gedankengang gemacht. Quintessenz: Computer sind schuld. Aber nicht so, wie man denken würde. Aber ich habe grob geschätzt, wieviel Zeit ich täglich auf die eine oder andere Art vor dem PC verbringe. Sicher zu viel. Aber davon abgesehen, was mache ich da eigentlich? Ich kam zum Schluss, dass ich wohl mehr als 75% der Zeit einfach nur Text lese. WoW ist primär chat, Foren sind Text, surfen ist Text, Chats sind Text, Essays oder Fachliteratur sind Text, News sind Text und Blogs sind Text, fast alles Studiumsbezogene ist auch Text. Dazwischen vielleicht ab und an etwas youtube zur Auflockerung, aber eigentlich verbringe ich die meiste Zeit mit lesen (oder schreiben). Kein Wunder, bin ich nur bedingt dafür zu begeistern, etwas zu lesen, wenn ich schon jeden Tag einen grossen Teil meiner Zeit lesend verbringe. Hier ist das natürlich völlig anders, Internet habe ich selten und ich bin viel laufend unterwegs oder schaue mir Dinge an. Aber lesen tu ich selten. Darum freue ich mich so darauf.
Saturday, September 22, 2007
Aso Mountain
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2 comments:
Danke Kdansky-dono für die Unterweisung in der geheimen tschechisch-schweizerischen Lesetaktik! Wann, oh grosser Meister, werde ich in den inneren Zirkel der Leser vorgelassen?
Des Kajetans Erleuchtung, Ommmm. Was wir schon alle längst wussten, ist dem Kajetan im hintersten Winkel von Japan bewusst geworden: Computer sind böse und machen bleich:)
Grüsse Little N
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