Saturday, September 22, 2007

Vor 23:00 Uhr das letzte Tram? WTF?

20.9.07 - Eigentlich 21., denn es ist kurz nach Mitternacht. Heute bin ich mit vergleichsweise wenig Enthusiasmus aus Hataka aufgebrochen, irgendwie war mir wenig nach Reisen, aber wenn ich nicht ein paar Kilometer mache, hänge ich am Schluss komplett fest und komme hier gar nicht mehr rum. Auf dem Weg zum Bahnhof habe ich einen Australier getroffen, wir haben etwas geplaudert, er war sehr sympathisch. Dann den Zug nach Kumamoto genommen, eineinhalb Stunden Fahrt. Unterwegs Phoenix Wright 1 fast fertig gespielt, toller Schluss, sehr empfehlenswertes Game! Die Auswahl an Herbergen im LP in Kumamoto ist enorm gering, obwohl die Stadt durchaus knapp 700'000 Einwohner hat. Eine wurde aber als "beste Wahl bei knappem Budget" empfohlen, das Minshukan Higoji. Da sitze ich zur Zeit in einem 6 Tatami grossen Zimmer (eher für 2-3 Leute gedacht) und fasse den wirklich guten Tag zusammen.

Wie gesagt, ich habe vom Bahnhof aus angerufen, weil das Ding etwas abgelegen (insbesonders einige Meter Bergauf) liegt und ich sicher nicht mein Gepäck hoch- und wieder runterschleppen wollte. Der Besitzer spricht gebrochen, aber durchaus verständlich Englisch und bot mir am Telefon sofort an, mich vom Bahnhof abzuholen (das steht auch so im LP, aber das steht da noch öfters und ist mir noch nie passiert). Willkommene Überraschung! Ich solle mich doch kurz 15 Minuten gedulden. Also kaufte ich mir was zu Essen (Mittagessen) und setzte mich unter einen grossen Baum in den Schatten, es ist schliesslich weit über 30°C heiss (gestern 36°C laut Zeitung). Nach etwa 5 Minuten kam er auch schon angebraust und lud mich und eine Französin ein. Ich habe dann mit Freuden die Konversation bestritten, da er etwas Englisch und ich etwas Japanisch kann, ging das enorm gut. Im Haus angekommen, wurde ich mit der Minimalmiete von 3000 yen pro Nacht für ein Riesenzimmer konfrontiert. Sehr gut. Als wir dann in die Stadt wollten, etwas Sight-Seeing betreiben, bot er sofort an, uns doch zum Bahnhof zu fahren, ach nein, direkt zum Schloss. Gerne namen wir auch dieses Angebot an. Dann sind wir zu zweit zwei Stunden durch das restaurierte Schloss spaziert, haben eine Samurai-Wohnung bestaunt, Bilder vom Myamoto Musashi Brunnen gemacht und dann per Tram (omg Heimat!) zum berühmten Suizen-ji-Koen gefahren. Ein netter, wenn auch nicht dermassen beeindruckender Park (wenn man Okayama gesehen hat), im Sonnenuntergang sehr schön anzuschauen.

Dann haben wir uns getrennt, ich wollte die hiesige Spezialität testen, ihr gefiel der Gedanke wenig, rohes Pferdefleisch zu essen. Und genau das habe ich dann getan. Nachdem ich eine Weile gesucht habe, bin ich auf eine "Konfiserie Swiss" gestossen, wo ich mir die Auslagen angeschaut habe (nicht sonderlich schweizerisch und nicht sonderlich aufregend) und dann gefragt habe, wo man hier am besten Basashi essen könnte. Prompt wurde ich mit Karte ausgestattet und los gings. Ich kam in einem etwas besser aussehenden Restaurant an, wo ich erst mal 30 Minuten auf einen Sitz warten musste, es war alles so gestossen voll. Schonmal ein gutes Zeichen. Um die Pointe vorwegzunehmen: Das Essen war zwar unglaublich teuer (6200 yen), aber mindestens genauso traumhaft köstlich. Amuse Bouche: Salat mit zwei Streifen blanchierten Pferdefilets, dazu ein leichter Apperitif (irgendwo zwischen Süsswein und Likör anzusiedeln). Vorspeise bestand aus kleingeschnittener Brust (auch roh), gefolgt von Filet, Speck (also das Stück, woraus man Speck machen würde, selbstverständlich roh), und noch einem Schnitz, der mir aber nicht so gefiel. Ach ja, und zwei Scheiben Nackensehne, das ist ziemlich ungeniessbar. Nächster Gang sah sehr seltsam aus. In Pilzsauce gekochte komische Dinger. Mir schwante übles. Und wurde bestätigt. Es handelte sich um Darm, bei uns geht das wohl unter Kutteln durch. Schlimmerweise war es eigentlich sehr gut, auch wenn mein Hirn sich weigerte, auf Übelkeitsgefühle zu verzichten. Etwas benommen, bestellte ich eine Flasche Nihonshu, was die Sache durchaus erleichterte, zumal ich eine gute Sorte erwischte (pure Glückssache, da ich keine Sorte kenne, keinen Namen lesen und nur nach Preis unterscheiden kann). Dann kam eine leichte Suppe (mit gekochtem Pferd drin) und schliesslich als Hauptgang ein perfekt blutig gebratenes Pferdesteak, mit etwas Gemüsebeilage und sehr japanisch anmutender Sauce. Ein Traum. Ach ja, und zum Dessert bekam ich ein kleines Sorbet (aus japanischen Mandarinen), im Normalfall halte ich wenig von Sorbets, die sind immer zu süss und meistens langweilig im Geschmack. Was für ein Irrtum. Das war schlicht und ergreifend das beste Sorbet, das ich je gegessen habe. Kurz entschlossen, bestellte ich eiskalt ein zweites und verstand gar nicht, was die Kellnerin von mir wollte, als sie mir netterweise zu erklären versuchte, dass ich dafür den Preis eines normalen Dessert Sorbets bezahlen müsste. Als ob ich diesen Preis nicht schon nachgeschaut und als "320 yen? Mir sowas von egal!" abgehakt hätte. Abgerundet wurde das Dinner davon, das der Koch (hinter der Theke, hats hier meist) 6 Jahre in Berlin lebte und wir auf Deutsch plauderten, und er mir das Menu erklären konnte.

Nachher habe ich noch etwas zu trinken gesucht, bin auf eine grosse Buchhandlung gestossen, habe sogar eine englische Abteilung gefunden und statt Getränken Bücher gekauft. Da ich dann nur noch etwa 45 Minuten Zeit hatte, um eine Bar zu finden, wenn ich noch nach Hause fahren wollte, entschloss ich mich spontan, in eine Arcade zu laufen, als ich daran vorbeikam. Dann habe ich zwei Games GGXX gespielt, eine Japanerin besiegt (Jaaaaaa!!! Mein zweiter Sieg in Japan!), und trotzdem das Tram verpasst. In was für einer Stadt fährt das letzte Tram denn um 22:45?! Aber irgendwie kann ich mir hier sehr gut orientieren, alles, was ich gesucht habe, fand ich im ersten Anlauf und auch die 2 km Weg quer durch alles bis zum Hotel waren Umweglos erledigbar. Jetzt ist gegen eins, die Klimaanlage bläst mir kalt ins Genick und ich Huste wie ein Irrer. Immerhin ist meine Stimme nur noch schlimm und nicht mehr inexistent.

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